Wenn man sich einer versunkenen Epoche nähern will, sind die Grenzen des Verstehens schnell erreicht. Natürlich blühten auch vor dreihundert Jahren die Kirschen und die Menschen haben sich verliebt. Aber welche Ideen und Vorstellungen von sich selbst, welches Rollenverständnis sie hatten, wie sie Heimat oder Pflicht verstanden haben, das lässt sich niemals unmittelbar erfassen. Was sollen da die Schüler eines Literaturkurses tun, die sich anschicken, andere Zeiten und andere Menschen auf die Bühne zubringen, obgleich ihnen dämmert, wie ahnungslos sie eigentlich sind? Nun, sie wenden sich vertrauensvoll an die Dichter. Diese haben nicht nur den Vorteil, dass sie ihre dramaturgischen Fähigkeiten bereits unter Beweis gestellt haben und ihnen auch vorbehaltlos zuzutrauen ist, dass sie den eigenen Zeitgeist reflektierten, sondern sie selbst haben die Köpfe ihrer Zeitgenossen verändert, haben ihre eigene Weltsicht unters Volk gebracht und die Gedanken der Menschen mit neuen Ideen gefüttert. Insofern ist man in doppeltem Sinne gut beraten, die Lichtgestalten der deutschen Literaturgeschichte als Quellen zu verwenden.